Thomas MANN:
Mario und der Zauberer . Erzählung - Taschenbuch
1973, ISBN: 52900eb23aaacdc158ba85e4da2e9236
[ED: Taschenbuch], [PU: Verlag Philipp Reclam jun.], Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis ist eine Novelle von Thomas Mann, die 1930 zunächst in Velhagen und Klasin… Mehr…
[ED: Taschenbuch], [PU: Verlag Philipp Reclam jun.], Mario und der Zauberer – Ein tragisches Reiseerlebnis ist eine Novelle von Thomas Mann, die 1930 zunächst in Velhagen und Klasings Monatsheften publiziert wurde und anschließend im S. Fischer Verlag erschien. In psychologischem Realismus schildert Mann darin die Wirkungen eines im faschistischen Italien hereinbrechenden Dämons anhand der Figur des Showhypnotiseurs Cavaliere Cipolla. 1994 wurde die Erzählung von Klaus Maria Brandauer als Vorlage für eine gleichnamige, aber nicht werkgetreue Verfilmung verwendet.
Die Spätsommerferien, die der Ich-Erzähler mit seiner Gattin und seinen zwei Kindern am Tyrrhenischen Meer im faschistischen Italien verbringt, werden nicht nur vom schwülen Wetter, sondern von Anfang an auch durch eine „atmosphärisch unangenehme Stimmung“ beeinträchtigt. Zu nationalistisch und grell sind die Töne der „inländischen Mittelklasse“-Touristen, die das Strandleben in dem kleinen Mittelmeerstädtchen Torre di Venere bestimmen, so dass die Familie schon sehr bald das Gefühl hat, hier keineswegs so willkommen zu sein wie noch in früheren Jahren.
Im Grand-Hotel wird ihr verwehrt, auf der bunt beleuchteten Veranda zu speisen, da diese „unserer Kundschaft“ vorbehalten sei. Der Hoteldirektor bittet den Erzähler obendrein um einen Zimmerwechsel, da sich eine Dame vom italienischen Hochadel über den leichten, angeblich ansteckenden Husten der Kinder beschwert habe. Statt sich ins Nebenhaus vertreiben zu lassen, beschließt die Familie jedoch, in die kleine und familiäre Pension Eleonora umzuziehen, die von Signora Angiolieri betrieben wird, die ihr Gästehaus nach der berühmten italienischen Schauspielerin Eleonora Duse benannt hat. Doch obwohl in der neuen Unterkunft alles zur Zufriedenheit verläuft, will sich keine rechte Ferienstimmung mehr einstellen. (...)
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Paul Thomas Mann (* 6. Juni 1875 in Lübeck; † 12. August 1955 in Zürich, Schweiz) war ein deutscher Schriftsteller und einer der bedeutendsten Erzähler des 20. Jahrhunderts.
Dem 1901 erschienenen ersten Roman Buddenbrooks folgten Novellen und Erzählungen wie Tonio Kröger, Tristan und Der Tod in Venedig. Der 1924 veröffentlichte Roman Der Zauberberg, mit dem er die Tradition des europäischen Bildungsromans fortführte, zeigt Manns Gestaltungskunst: Der Erzähler wahrt eine skeptisch-ironische Distanz zu den Figuren, typische Konstellationen kehren leitmotivisch wieder, und es herrscht ein syntaktisch komplexer, anspruchsvoller Stil. Diese Merkmale prägen auch die folgenden Veröffentlichungen, unter denen die Novelle Mario und der Zauberer, die Romantetralogie Joseph und seine Brüder sowie das Spätwerk Doktor Faustus hervorzuheben sind. Für die Buddenbrooks erhielt Thomas Mann 1929 den Nobelpreis für Literatur.
Weithin Beachtung fanden auch seine Stellungnahmen zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Fragen. Stand er der westlichen Demokratie zunächst skeptisch gegenüber, wandelte er sich zu Beginn der 1920er Jahre zu einem überzeugten Verteidiger der Weimarer Republik. Während der nationalsozialistischen Herrschaft emigrierte er 1933 in die Schweiz und 1938 in die USA, deren Staatsbürgerschaft er 1944 annahm. Seit 1952 lebte er wieder in der Schweiz.
Thomas Mann entstammte der angesehenen Lübecker Patrizier- und Kaufmannsfamilie Mann. Seine Frau Katia, geborene Pringsheim, inspirierte ihn zu mehreren seiner literarischen Figuren und Werke. Sein älterer Bruder Heinrich und vier seiner sechs Kinder, Erika, Klaus, Golo und Monika, waren ebenfalls Schriftsteller.
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Im Mittelpunkt der Novelle Mario und der Zauberer steht die Frage nach der Willensfreiheit. Nicht nur die zahlreichen hypnotischen Erfolge Cipollas thematisieren deren Grenzen, sondern auch das immer wieder (von ihm selbst) in Frage gestellte Verhalten des Erzählers, der eigentlich abreisen will, sich aber dennoch irgendwie mit einem merkwürdig gemischten Gefühl aus Angst, Spannung, Bewunderung, Neugier und Hass über seine eigenen Skrupel hinwegsetzt. Einem jungen Mann, der bei einem Kartentrick fest entschlossen ist, den hypnotischen Künsten zu widerstehen und seinen Eigenwillen gegen den Willen Cipollas durchzusetzen, antwortet dieser:
„Sie werden mir ... damit meine Aufgabe etwas erschweren. An dem Ergebnis wird ihr Widerstand nichts ändern. Die Freiheit existiert, und auch der Wille existiert; aber die Willensfreiheit existiert nicht, denn ein Wille, der sich auf seine Freiheit richtet, stößt ins Leere. Sie sind frei, zu ziehen oder nicht zu ziehen. Ziehen Sie aber, so werden Sie richtig ziehen, - desto sicherer, je eigensinniger Sie zu handeln versuchen.“
– Th. Mann: 1930, S. 95.
Die oft formulierte Reduzierung der Handlung auf eine bloße Faschismusparabel wird dem Werk nicht gerecht. Beschrieben werden die Grundkonstituenten menschlichen Handelns im Verständnis von Thomas Manns Weltsicht, z. B. die Verführbarkeit zum Tode und die Sehnsucht nach der Ganzheit. Hier lassen sich Verknüpfungen zur faschistischen Bewegung der 1930er Jahre erkennen, die, oberflächlich betrachtet, in einer ähnlich erscheinenden Geisteshaltung zu suchen sind. Außerdem sieht die heutige Forschung in Cipolla eine ex negativo überzeugend dargestellte Künstlerfigur, die ihre körperliche Verwachsenheit durch äußerste Willensanspannung mit zweifelhaftem Erfolg ausgleicht und erkennt insofern in Mario und der Zauberer in erster Linie eine weitere Variation der typisch mannschen Künstlerproblematik.
Angesichts des tödlichen Ausgangs der Novelle könnte man annehmen, Thomas Mann wolle den Lesern den Ratschlag geben, in einer Diktatur aktiv zum Befreiungsschlag auszuholen und sich notfalls auch mit drastischen Mitteln ihrer Demagogen zu entledigen. 1940 schreibt er in „On Myself“ über die von ihm gesehene Wirkung in Deutschland: „Die politisch-moralistische Anspielung, in Worten nirgends ausgesprochen, wurde damals in Deutschland, lange vor 1933, recht wohl verstanden: mit Sympathie oder Ärger verstanden, die Warnung vor der Vergewaltigung durch das diktatorische Wesen, die in der menschlichen Befreiungskatastrophe des Schlusses überwunden und zunichte wird.“
Dennoch sind aus einem Briefwechsel Manns mit dem Schriftsteller Otto Hoerth vom 12. Juni 1930 anfänglich andere Intentionen ersichtlich: „Da es Sie interessiert: Der 'Zauberkünstler' war da und benahm sich genau, wie ich es geschildert habe. Erfunden ist nur der letale Ausgang: In Wirklichkeit lief Mario nach dem Kuß in komischer Beschämung weg und war am nächsten Tage, als er uns wieder den Tee servierte, höchst vergnügt und voll sachlicher Anerkennung für die Arbeit 'Cipollas'. Es ging eben im Leben weniger leidenschaftlich zu, als nachher bei mir. Mario liebte nicht wirklich, und der streitbare Junge im Parterre war nicht sein glücklicherer Nebenbuhler. Die Schüsse aber sind nicht einmal meine Erfindung: Als ich von dem Abend hier erzählte, sagte meine älteste Tochter: ‚Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er ihn niedergeschossen hätte‘.“
So behauptet Mann klar, dass er mit diesem Werk nicht politisch agieren wollte, sondern – im Nachhinein vielleicht unbewusst – ein Stück faschistischer Zeitatmosphäre eingefangen habe. In späteren Briefen 1932 schließt Thomas Mann politische Anspielungen allerdings nicht aus. So heißt es in einem Brief aus dem Jahre 1941 an Hans Flesch: „Ich kann nur sagen, dass es viel zu weit geht, in dem Zauberer Cipolla einfach die Maskierung Mussolinis zu sehen, aber es versteht sich andererseits, dass die Novelle entschieden einen moralisch-politischen Sinn hat.“
Mit dem Ende des Nationalsozialismus wurde die Geschichte in abgewandelter Form unter dem Titel Hypnose 1945 als Hörspiel vertont.
(Quelle: Wikipedia)
Reclam-Bändchen Nr. 148
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